Umverteilung über Zinsanteile von “fleißig zu reich”

Viele denken, Zinsen zahle nur, wer eine Hypothek für´s Eigenheim hat oder monatlich Mietzins für seine Wohnung zahlt. In sämtlichen Konsumgüter-Preisen sind aber – von den meisten Verbrauchern völlig unbemerkt – durchschnittlich 30  bis 40% Zinsanteile enthalten. Das rührt daher, weil die vielen am Produktionsprozess einer Ware beteiligten Akteure für ihren Kapitalbedarf Kredite aufgenommen haben und die zu zahlenden Zinsen in ihren Preis als Kosten einrechnen:
Der Rohstofferzeuger finanziert seinen Bagger, die Reederei ihre Schiffe, der Fabrikant seine Produktionshalle und einen Teil seines Rohstoffeinkaufs, der Spediteur seinen Lastwagen, und der Händler sein Ladengebäude. Je mehr Arbeitsteilung, je mehr Beteiligte, um so höher der Zinsanteil, weil Logistik, Verwaltung und Transportanteile größer werden. Je globaler und börsenotierter die Beteiligten der Produktionskette, um so höher die zinspflichtigen Finanzierungsanteile, je lokaler, um so größer die Chance, dass der Produzent nicht kreditfinanziert arbeitet, sondern noch mit unverschuldeten Produktionsmitteln herstellt.

Zinsanteile-klein

Wer also konsumiert, zahlt über ein Drittel des Preises an Menschen, deren Beitrag zum Produkt nur darin besteht, Geld gegen Zinszahlungen zur Verfügung zu stellen.
Nennenswertes Einkommen über Zinszahlungen und Guthabenzinsen zu erhalten, ist auf der anderen Seite nur einem sehr kleinen Teil der Bevölkerung vorbehalten. Daraus folgt logisch eine Umverteilung von den produzierenden zu den besitzenden Teilen der Bevölkerung. Soweit, so verständlich. Aber kennen Sie die Größenordnungen?

Quelle: H. Creutz

Teil man alle Haushalte Deutschlands in 10 nach Einkommen sortierte Zehntel, so  zahlen die unteren 8 Zehntel, also die weniger verdienenden 80% der Bevölkerung, deutlich mehr Zinsen (schwarz) als sie erhalten (orange). Beim 9. Zehntel ist die Bilanz etwa ausgeglichen. Dem reichsten Zehntel fließen also all die Zinszahlungen von 80% der Haushalte zu…
(eine genaue Erläuterung der – hier leicht vereinfachten – Grafik finden Sie bei Interesse bei deren Autor H. Creutz. Copyright: H. Creutz – CC-BY-NC-SA)

Margrid Kennedy nennt für 2009 eine Größenordnung der Umverteilung in Deutschland von 600 Millionen Euro. Und zwar täglich! (siehe #5)

Die in letzter Zeit vielzitierte “Schere zwischen Arm und Reich” hat also hier ihre nachvollziehbare Ursache. Die oft als Gegenargument angeführte “sozialgerechte” Umverteilung von “oben nach unten” über einkommensabhängige Steuersätze bzw. den Grundfreibetrag kommt gegen diese stille, aber gewaltige Umschichtung über den allgegenwärtigen Zins bei weitem nicht an. Dazu kommt noch, dass das obere Zehntel Mittel und Wege hat, seine Gewinne der Steuer zu entziehen. Sie haben vermutlich schon gelesen, dass globale Multis wie Apple, Google, Amazon oder McDonald trotz riesiger Umsätze in Deutschland praktisch keine Steuern zahlen. Und: der Anteil unseres Konsums, der über solche Unternehmen abgewickelt wird, steigt von Jahr zu Jahr.

Das gesellschaftliche Gesamtergebnis dieser Zahlungsströme kann man jenseits aller ideologisch aufgeladenen Diskussionen an den Statistiken zu den immer schneller auseinander laufenden Einkommensverhältnissen rund um den Globus ablesen.

Beispielhafte Belege:

1) Zeit online, 4. November 2013
x-> “Topmanager verdienen 53-mal so viel wie Arbeitnehmer”

2) Zeit online, September 2013
x-> Wahlkantine: “Alle Gehälter auf einen Teller”

3) Spiegel online, 09.06.2013
x-> “Studie: Fast ein Viertel aller Beschäftigten erhält Niedriglohn”

4) Tageschau.de, 15.03.2013
x-> “Ein Viertel nur fürs Wohnen”

5) Komplementärgeld-Expertin Margrid Kennedy
x-> “Interview: Müssen wir Geld neu erfinden?”
Hier findet sich auf S.7 des Interviews, das man als PDF herunterladen kann einen Grafik, die die Zinsanteile in verschiedenen Konsumausgaben visualisiert.
Die Grafik auf S. 9 zeigt sehr anschaulich die extrem ungleiche Verteilung von Zinseinnahmen und Ausgaben der 10 Zehntel der deutschen Bevölkerung.



Zum Schluss noch etwas, damit uns der Humor nicht ganz vergeht: Volker Pispers und die Vermögensverteilung:

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